Die Autoren von DERIVE sind David Stoutemyer und Albert Rich von Soft Warehouse, Inc. (Honolulu, Hawaii). DERIVE ist eine Weiterentwicklung des Computeralgebra-Systems muMATH, es beinhaltet daher mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Implementierung von Computeralgebra-Algorithmen auf einfachsten Rechnern: muMATH war bereits Anfang der 80er Jahre auf CP/M-Rechnern mit nur 64K Hauptspeicher verfügbar!
DERIVE Version 1 kam im November 1988 auf den Markt, die Version 2 folgte im November 1990. Seit Sommer 1992 ist Version 2.5 auf dem Markt.
Das Produkt ist als "elektronischer Schmierzettel" konzipiert. Der Benutzer kann auf den Bildschirm Terme schreiben, ändern, auswerten, lösen, differenzieren, integrieren, plotten, löschen, umordnen etc. Er oder sie kann mit DERIVE numerisch, algebraisch und graphisch arbeiten und programmieren. Die Benutzeroberfläche ist ähnlich wie die der Textverarbeitungssoftware WORD von Microsoft.
Die folgenden Abschnitte fassen die wichtigsten Merkmale des Systems zusammen. Es wurden bewußt einfachste Beispiele gewählt.
5 (9 - 2) 1: --------- 3Der Term wird "zweidimensional" ausgegeben und mit einer Termnummer versehen. Ausgerechnet (d.h. vereinfacht) wird der Term erst durch Wahl des Kommandos Simplify:
35 2: ---. 3Standardmäßig rechnet DERIVE im exakten Rechenmode (d.h. mit rationaler Arithmetik). So wird $\sqrt{45}$ vereinfacht zu
3: 3 \sqrt{5}Auf Wunsch kann ein näherungsweiser Rechenmode eingestellt werden, wobei die Anzahl der signifikanten Stellen anzugeben ist. Mit 24-stelliger Arithmetik ergibt sich für $\sqrt{45}$ die Zahl
4: 6.7082039324993690892Ebenso könnte man mit 250, 1400, oder sonst einer Zahl signifikanter Stellen rechnen. Das kostet allerdings Rechenzeit und Speicherplatz, womit sich eine praktische Beschränkung der größtmöglichen Stellenzahl ergibt. Eine Besonderheit von DERIVE ist, daß im näherungsweisen Rechenmode eine approximative Bruchzahlarithmetik verwendet wird. Diese ist zwar etwas langsamer als die übliche Gleitkommaarithmetik, zeigt aber ein wesentlich besseres Fehlerfortpflanzungsverhalten. Gibt man in DERIVE mit äuthor" $(x - 2y)^2$ ein, so erscheint am Bildschirm
5: $(x - 2 y)^2$Das Ausmultiplizieren dieses Ausdrucks erreicht man mit dem Befehl Expand:
6: $x^2 - 4 x y + 4 y^2$Terme können faktorisiert, auf gemeinsamen Nenner gebracht, nach einer Variablen gelöst werden u.v.a.m. Möchte man einen Ausdruck integrieren, so gibt man zunächst den Term ein:
7: $x SIN (x)$Der Befehl "Calculus" führt in ein Untermenü, in welchem man Integrate wählt. DERIVE erfragt die Integrationsvariable (wir belassen die vorgeschlagene Variable x) und die Integrationsgrenzen (wir geben keine Grenzen ein, da eine Stammfunktion berechnet werden soll). DERIVE antwortet mit der formalen Anwendung des Integrationsoperators:
8: $\int x SIN (x) dx$Erst die Anwendung von Simplify bewirkt eine "tatsächliche Berechnung" des Integrals:
9: $SIN (x) - x COS (x)$Im Untermenü Calculus stehen auch Befehle zum Differenzieren sowie zum Berechnen von Grenzwerten, Produkten, Summen und Taylorpolynomen zur Verfügung. Man muß also nicht die Namen der Funktionen wissen, mit denen man differenzieren, integrieren etc. kann, und man muß auch nicht Anzahl, Art und Reihenfolge der nötigen Argumente kennen. Ein versierter Benutzer kann aber den vielleicht als zeitaufwendig empfundenen Menüdialog durch Eingabe des Termes INT(xSINx,x)) umgehen.
Die Anwendung von Simplify auf den Term
10: $\sqrt{(x y)} - \sqrt{x} \sqrt{y}$bewirkt keine Vereinfachung. Viele würden hier 0 erwarten und sind vielleicht enttäuscht. Doch: Substituiert man für x und y je -1 (in DERIVE geht das mit dem Befehl Manage Substitute), so ergibt sich
11: $\sqrt{((-1) (-1))} - \sqrt{(-1)} \sqrt{(-1)}$und weiter mit Simplify
12: $2$Der ursprüngliche Term ist dann äquivalent zu 0, wenn z.B. x als nichtnegativ vorausgesetzt wird! Definiert man x mit dem Befehl Declare Variable Domain Nonnegative ebenso und vereinfacht dann den Term Nummer 10, so ergibt sich das Wunschergebnis
13: $0$DERIVE ist konservativ bei der Anwendung von Umformungsregeln -- eine Eigenschaft, die ein gutes Computeralgebrasystem besitzen muß, denn kein Ergebnis ist besser als ein falsches Ergebnis! In diesem Punkt nimmt es DERIVE mit jedem seiner "großen Brüder" auf. Zum Beispiel wird der Ausdruck
$\int_{\frac{\pi}{4}}^{\frac{3\pi}{4}} \frac{1}{2} \sqrt{2 - 2 cos(2x)} dxvon manchen Systemen falsch zu 0 vereinfacht. DERIVE hingegen findet das korrekte Ergebnis, nämlich $\sqrt{2}$.
* In DERIVE stehen zahlreiche Funktionen zur Verfügung sowie Know-how über Zusammenhänge und Vereinfachungsregeln: Exponentialfunktionen, Logarithmusfunktionen, trigonometrische Funktionen, trigonometrische Umkehrfunktionen, hyperbolische Funktionen, hyperbolische Umkehrfunktionen, stückweise stetige Funktionen, Funktionen aus der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Statistik, Fehlerfunktionen und finanzmathematische Funktionen.
* DERIVE versteht sich auf das Rechnen mit Vektoren und Matrizen: Neben den Elementaroperationen wie Addition, Multiplikation mit einem Skalar, Skalarprodukt, Kreuzprodukt, Determinante, Transponierte, Inverse etc., können auch Eigenwerte berechnet und differentielle und integrale Vektoranalysis betrieben werden.
* Neben dem numerischen und dem algebraischen Rechnen erlaubt DERIVE auch die Erstellung von 2- und 3-dimensionalen Graphiken. Die zu zeichnenden Kurven können dabei in artesischen Koordinaten, in Polarkoordinaten oder in Parameterdarstellung gegeben sein. Zahlreiche Befehle zum Skalieren, zur Bildausschnittwahl etc. stehen zur Verfügung.
* Das Arbeitsfenster von DERIVE kann beliebig unterteilt werden. Jedes dabei entstehende Fenster kann als Algebra-Fenster, als 2D-Plot-Fenster oder als 3D-Plot-Fenster definiert werden. Das nützt sowohl bei der Erstellung von Graphiken (Term und Schaubild sind gleichzeitig sichtbar) als auch beim Experimentieren mit Termumformungen: man kann zwei (oder mehr) Ideen in verschiedenen Fenstern verfolgen und die entstehenden Ergebnisse vergleichen. Das beste Resultat behält man. Alternativ dazu können Fenster auch übereinandergelegt werden.
* In DERIVE kann man auch eigene Funktionen definieren. Dabei können Iterationen, Rekursionen, IF-THEN-ELSE, logische Operatoren und alle DERIVE- Funktionen verwendet werden. Der Benutzer hat damit eine Art funktionale Programmiersprache zur Verfügung, die beliebige Erweiterungen des Systems erlaubt.
* DERIVE Version 2 beinhaltet eine Sammlung von 20 Dateien, in denen Funktionen zu zahlreichen Spezialthemen enthalten sind, wie zum Beispiel:
- Lösen nichtlinearer Gleichungssysteme, - Numerische Differentiation und Integration, - Anwendungen der Differentialrechnung, - Anwendungen der Integralrechnung, - Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen, - Lösung rekursiver Gleichungen, - Wahrscheinlichkeitsfunktionen, - Fresnelintegrale, - Bessel- und Airyfunktionen, - Hypergeometrische Funktionen, - Elliptische Integrale, - Orthogonale Polynome, - Zeta-, Poly- und Dilogarithmusfunktionen, - Plotten von Raumkurven und komplexen Kurven.Diese Dateien können bei Bedarf geladen werden, womit die darin definierten Funktionen dann zur Verfügung stehen.
DERIVE ist das einzige Computeralgebra-System, das auf einfachsten PCs läuft. Praktisch jeder PC-kompatible Rechner -- Desktop, Laptop, ... -- erfüllt obige Anforderungen. Insbesondere ist DERIVE auch auf den neuen Palmtop-PCs verwendbar:
* Der POQET PC paßt mit seinen 22.3 x 10.9 x 2.5 cm in die Westentasche und wiegt nur 550 Gramm. Zwei handelsübliche AA-Alkalibatterien erlauben bis zu 100 Betriebsstunden.
* Der HP 95LX ist mit seinen 16.0 x 8.64 x 2.54 cm noch kleiner und mit seinen 303 Gramm noch leichter als der POQET. Auch der 95LX wird mit zwei AA-Batterien betrieben. Der etwas kleinere Bildschirm mit nur 16 Zeilen und 40 Spalten hat eine kleine Adaption der Software nötig gemacht. Ab Herbst 1991 ist DERIVE-95LX auf ROM-Karten verfügbar.
DERIVE auf den neuen Palmtop-PCs bedeutet eine "Revolution", die noch sehr viel weitreichender ist, als es die Einführung des numerischen Taschenrechners war: jeder Techniker, jeder Ingenieur, jeder Wissenschaftler, jeder Student, jeder Lehrer und jeder Schüler kann ab sofort einen leistungsfähigen Mathematik-Assistenten ständig bei sich tragen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen und Möglichkeiten sind heute noch gar nicht abzusehen.
In den Schulen werden immer heftigere Diskussionen zum Thema DERIVE geführt: da DERIVE bis zu 80% der in heutigen Lehrbüchern enthaltenen Aufgaben äuf Knopfdruck" löst, ist mit der Verfügbarkeit dieses neuen Werkzeuges eine drastische änderung des Mathematikunterrichtes vonnöten. Das birgt eine große Chance, aber auch eine große Gefahr in sich: der Unterricht kann endlich weg von den handwerklichen Fähigkeiten und hin zu den Konzepten gestaltet werden --doch würde genau damit der Mathematikunterricht auch entsprechend anspruchsvoller. Österreich ist das erste Land der Welt, in dem DERIVE Standardwerkzeug an allen Gymnasien ist. Die Verantwortlichen vieler Länder erwarten daher mit Spannung die Ergebnisse des im Herbst 1991 in Österreich begonnenen "Großversuches".
Soft Warehouse Europe GmbH Schloß Hagenberg A-4232 Hagenberg Österreich Tel. +43-7236-3297-81 Fax +43-7236-3297-30Die Adressen der Händler außerhalb Europas erhält man beim Entwickler
Soft Warehouse, Inc. 3615 Harding Avenue, Suite 505 Honolulu, Hawaii 96816 USA Tel. +1-808-734-5801 Fax +1-808-735-1105
Die Anfang 1991 gegründete DERIVE User Group gibt den viermal jährlich erscheinenden DERIVE News Letter heraus. Diese Publikation beinhaltet Leserbriefe und Artikel. Die Kontaktadresse ist
DERIVE User Group att. Josef Böhm D'Lust 1 A-3042 Würmla Österreich Tel. +43-2275-8207Author der Beschreibung Bernhard Kutzler (Linz)